Der Thron und die Herrlichkeit des
Herrn.
Johannes gibt uns in Off 4,2-8 eine Beschreibung dessen, was er
sah, als er im Geist in den Himmel entrückt war. Er sah einen Thron und auf dem
Thron saß einer.
Ein Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer.
Off 4,2 Sogleich war ich im Geist: und siehe, ein
Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer. 4,3 Und der da saß,
war von Ansehen gleich einem Jaspisstein und einem Sarder, und ein Regenbogen
war rings um den Thron, von Ansehen gleich einem Smaragd. 4,4 Und rings um den
Thron sah ich vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen saßen vierundzwanzig
Älteste, bekleidet mit weißen Kleidern, und auf ihren Häuptern goldene
Siegeskränze. 4,5 Und aus dem Thron gehen hervor Blitze und Stimmen und Donner;
und sieben Feuerfackeln brennen vor dem Thron, welche die sieben Geister Gottes
sind. Off 4, 2- 5;
Nachdem sich alle seriösen Ausleger darin einig sind, dass es
sich bei dem der auf dem Thron saß um Gott den Allmächtigen handelt, können
wir gleich weitergehen und uns mit dem Aussehen Gottes befassen. Und zwar nicht
mit jenem Aussehen, welches Johannes im Vers Off 4,3 beschreibt, sondern mit der
Gestalt Gottes, welche diesem Text nur indirekt zu entnehmen ist.
Der Umstand, dass hier von einem Thron die Rede ist und dass jemand darauf saß,
impliziert, dass dieser Jemand eine menschenähnliche Gestalt hatte, sonst
würde er nicht die körperlichen Voraussetzungen für das Sitzen erfüllen
können und Johannes hätte ihn dann kaum als "sitzend" beschrieben.
Dieser Thron und die Gestalt, welche darauf zu sehen war, hat auch der Prophet
Hesekiel beschrieben. Er hatte seine Vision am Fluss Kebar, im Lande der
Chaldäer.
Auf dem Thron eine Gestalt, dem Aussehen eines Menschen gleich.
Hes 1,22 Und über den Häuptern des lebenden
Wesens war etwas wie ein festes Gewölbe, wie der Anblick eines
furchteinflößenden Kristalls, ausgebreitet oben über ihren Häuptern.
1,23 Und unter dem festen Gewölbe waren ihre Flügel gerade ausgebreitet, einer
gegen den anderen; und jedes hatte zwei Flügel, die ihnen ihre Leiber
bedeckten. 1,24 Und wenn sie gingen, hörte ich das Rauschen ihrer Flügel wie
das Rauschen großer Wasser, wie die Stimme des Allmächtigen, das Rauschen
einer Volksmenge, wie das Rauschen eines Heerlagers. Wenn sie still standen,
ließen sie ihre Flügel sinken.
1,25 Und es kam eine Stimme von dem Raum oberhalb des festen Gewölbes, das
über ihren Häuptern war. Wenn sie still standen, ließen sie ihre Flügel
sinken.
1,26 Und oberhalb des festen Gewölbes, das über ihren Häuptern war,
befand sich – wie das Aussehen eines Saphirsteines – etwas wie ein Thron und auf
dem, was wie ein Thron aussah, oben auf ihm eine Gestalt, dem Aussehen eines
Menschen gleich. Hes 1,22-26;
Und im Gegensatz zu Johannes, spricht es Hesekiel in Hes 1,26
ganz klar aus: der auf dem Thron hatte das Aussehen eines Menschen. Und er
bestätigt auch gleich im Anschluss, in Hes 1,28, dass dies "die Herrlichkeit
des Herrn" war.
Das war das Aussehen des Abbildes der Herrlichkeit des HERRN.
Hes 1,27 Und ich sah: Wie der Anblick von
glänzendem Metall, wie das Aussehen von Feuer, das ringsum ein Gehäuse hat,
war es von dem Aussehen seiner Hüften an aufwärts; und von dem Aussehen seiner
Hüften an abwärts sah ich etwas wie das Aussehen von Feuer; und ein Glanz war
rings um ihn. 1,28 Wie das Aussehen des Bogens, der am Regentag in der Wolke
ist, so war das Aussehen des Glanzes ringsum. Das war das Aussehen des
Abbildes der Herrlichkeit des HERRN. – Und als ich es sah, fiel ich auf mein
Gesicht nieder; und ich hörte die Stimme eines Redenden. Hes 1,27-28;
Gott hat also das Aussehen eines Menschen. Ist dies
verwunderlich? – Eigentlich nicht, denn in 1Mo 1,26-27 lesen wir
ausdrücklich, dass Gott den Menschen nach seinem – Gottes – Bilde schuf.
Lasst uns Menschen machen in unserm Bild, nach unserem Aussehen!
1Mo 1,26 Und Gott sprach: Lasst uns Menschen
machen in unserm Bild, nach unserem Aussehen! Sie sollen herrschen über die
Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über das Vieh und über
die ganze Erde und über alle kriechenden Tiere, die auf der Erde kriechen! 1,27
Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bild, nach dem Bild Gottes schuf er ihn;
als Mann und Frau schuf er sie. 1Mo 1,26-27;
Und wenn der Mensch nach dem "Bilde", also nach der Gestalt
Gottes geschaffen ist, dann muss im Umkehrschluss auch Gott eine
menschenähnliche Gestalt haben. Auch wenn Gott nun in seiner Allmacht und
Allwissenheit, d.h. in seinen geistigen Eigenschaften mit dem Menschen
überhaupt nicht vergleichbar ist, so dürfen wir uns doch seine Gestalt
ähnlich der unseren vorstellen.
Johannes setzt dann in Off 4,6-8 die Beschreibung seiner Vision
mit den "vier lebendigen Wesen" fort.
Rings um den Thron vier lebendige Wesen, voller Augen vorn und hinten.
Off 4,6 Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes
Meer, gleich Kristall; und inmitten des Thrones und rings um den Thron vier
lebendige Wesen, voller Augen vorn und hinten. 4,7 Und das erste lebendige
Wesen war gleich einem Löwen und das zweite lebendige Wesen gleich einem
jungen Stier, und das dritte lebendige Wesen hatte das Angesicht wie das
eines Menschen, und das vierte lebendige Wesen war gleich einem
fliegenden Adler.
4,8 Und die vier lebendigen Wesen hatten, eines wie das andere, je sechs Flügel
und sind ringsum und inwendig voller Augen, und sie hören Tag und Nacht
nicht auf zu sagen: Heilig, heilig, heilig, Herr, Gott, Allmächtiger, der war
und der ist und der kommt! Off 4, 6- 8;
Die konventionelle Auslegung interpretiert diese vier lebendigen
Wesen seit Irenäus (170 n. Chr.) als Symbole für die Evangelisten des NT, also
Matthäus = Mensch, Markus = Adler, Lukas = Stier und Johannes = Löwe. Dabei
kann allerdings die Reihenfolge der Zuordnung von Ausleger zu Ausleger
verschieden sein. Andere Interpreten wieder sehen die vier Wesen als Symbole der
Eigenschaften Gottes, wobei der Stier das "Opfer Gottes", der Adler der "Überblick
Gottes", der Löwe die "Majestät Gottes" und der Mensch die "Niedrigkeit
Gottes in seinem Sohn" darstellt.
Jene Erklärer, welche in diesen Wesen die "gesamte beseelte Natur" sehen,
deuten sie auf die "vier Klassen belebter Natur": den Menschen, zahme Tiere (Stier),
wilde Tiere (Löwe) und Vögel (Adler). Auch die völlige Abstraktion in die Symbolik0
fehlt bei der Auslegung dieses Textes nicht. So sehen manche das ganze Bild als Metapher für die
seufzende Kreatur, die Flügel seien Ausdruck für das sehnsüchtige Streben der
Gebundenen nach höherer Freiheit, das Rufen Tag und Nacht in Vers Off 4,8 sei
gequälte Ruhelosigkeit. Aber es wird auch ernsthaft versucht, in diesem Bild
Hinweise auf astrologische Tierkreiszeichen (Stier, Löwe…) zu sehen.
Man sieht also, es gibt mancherlei Versuche, diesen doch recht schwierigen Text
zu erklären. Allerdings sollte gerade eine solch diffizile Schriftstelle nicht
durch Eigeninterpretationen, sondern anhand von schriftgemäßen Argumenten und
Analysen ausgelegt werden, da alle anderen Versuche zwangsläufig ins
exegetische Nirwana führen würden.
Wenn wir nun einen Hinweis in der Schrift auf diese vier lebenden Wesen suchen,
finden wir ihn in recht eindeutiger Weise wieder bei Hesekiel. Während
allerdings Johannes oben nur die Angesichter dieser vier Wesen beschreibt, sagt
uns Hesekiel auch hier etwas über ihre Gestalt: "die Gestalt eines Menschen
hatten sie". Also sowohl Gott (Hes 1,26), als auch die vier Wesen hatten
menschliche Gestalt.
Die Gestalt von vier lebenden Wesen.
Hes 1,2 Am Fünften des Monats – das ist das
fünfte Jahr nach der Wegführung des Königs Jojahin – 1,3 geschah das Wort des
HERRN ausdrücklich zu Hesekiel, dem Sohn des Busi, dem Priester, im Land der
Chaldäer am Fluss Kebar; dort kam die Hand des HERRN über ihn. 1,4 Und ich
sah: Und siehe, ein Sturmwind kam von Norden her, eine große Wolke und ein
Feuer, das hin- und herzuckte, und Glanz war rings um sie her. Und aus seiner
Mitte, aus der Mitte des Feuers, strahlte es wie der Anblick von glänzendem
Metall. 1,5 Und aus seiner Mitte hervor erschien die Gestalt von vier
lebenden Wesen; und dies war ihr Aussehen: die Gestalt eines Menschen hatten sie.
1,6 Und vier Gesichter hatte jedes, und vier Flügel hatte jedes von ihnen. 1,7
Und ihre Beine waren gerade Beine und ihre Fußsohlen wie die Fußsohle eines
Kalbes; und sie funkelten wie der Anblick von blanker Bronze. Hes 1, 2- 7;
Bei der Beschreibung der Gesichter dieser vier Wesen
unterscheiden sich allerdings diese zwei Berichte. Während Johannes bei jedem
der vier Wesen ein einziges und jeweils verschiedenes Gesicht erkennt,
beobachtet Hesekiel die gleichen vier Angesichter an jeder einzelnen dieser vier
Gestalten.
Die Gestalt ihrer Gesichter.
Hes 1,8 Und Menschenhände waren unter ihren
Flügeln an ihren vier Seiten; und die vier hatten ihre Gesichter und ihre
Flügel. 1,9 Ihre Flügel berührten sich, einer mit dem anderen; sie
wandten sich nicht um, wenn sie gingen: sie gingen, ein jedes gerade vor sich
hin. 1,10 Und das war die Gestalt ihrer Gesichter: Das Gesicht eines Menschen
und das Gesicht eines Löwen hatten die vier rechts, und das Gesicht
eines Stieres hatten die vier links, und das Gesicht eines Adlers
hatten die vier. Das sind ihre Gesichter.
1,11 Ihre Flügel aber waren nach oben ausgespannt; jedes hatte zwei, die
sich einer mit dem anderen berührten, und zwei, die ihre Leiber bedeckten.
Hes 1, 8-11;
Dieser Beschreibung nach zu urteilen, sah Hesekiel diese vier
Wesen in einer quadratischen Formation stehen, mit jeweils einer Gestalt an
jeder Ecke des Quadrates. Jeder von ihnen hatte vier Flügel an ihren vier
Körperseiten, wobei jeweils zwei der Flügel ausgestreckt waren und den Flügel
der zwei benachbarten Wesen – hinten und seitwärts bzw. vorne und seitwärts
- berührten und somit die Seiten des Quadrates bildeten. Die beiden anderen
Flügel bedeckten die entsprechende Körperseite, wie auch in Hes 1,23
beschrieben.
Die Aussage von Hes 1,22: "Und über den Häuptern der lebenden Wesen war
etwas wie ein festes Gewölbe, wie der Anblick eines Furcht einflößenden
Kristalls, ausgebreitet oben über ihren Häuptern", bringen manche
Interpreten in Zusammenhang mit dem "Himmelgewölbe" und sehen in den vier
lebendigen Wesen dann jene Kräfte, welche an den vier Enden der Erde dieses
Himmelsgewölbe stützen. Bei genauerer Betrachtung ist jedoch leicht zu
erkennen, dass dieses "Gewölbe" nur eine Nachbildung des Himmelsgewölbes
ist (so auch der Text wörtlich) und die Maße des, von den vier Wesen und ihren
ausgebreiteten Flügeln gebildeten Quadrates betragen etwa 5 mal 5 Meter (1Kg
6,24-25).
Wie nun Hesekiel die Gesichter an den vier Kopfseiten jedes dieser Wesen
beschreibt, muss er eine Position rechts vor dieser Formation eingenommen haben.
Dann können wir davon ausgehen, dass das menschliche Antlitz aus seiner Sicht
zwar rechts, aber von den vier Wesen gesehen nach vorne ausgerichtet war.
Hesekiel sah daher von seinem Standort aus den Löwenkopf rechts davon, den
Stierkopf diesem gegenüber, auf der linken Seite und den Adler auf der
Rückseite.
Während nun bei Hesekiel jedes dieser vier Wesen diese vier Angesichter hatte,
sieht Johannes zwar auch diese vier Wesen, allerdings hat jedes nur eines dieser
Angesichter. Auch finden wir bei Johannes keinen Hinweis auf die Positionen der
vier Wesen. Es ist aber wahrscheinlich nicht falsch auch hier davon auszugehen,
dass – ähnlich wie bei Hesekiel – aus der Sicht des Betrachters vor dem
Thron, das menschliche Antlitz vor dem Thron zu sehen war, während der
Adlerkopf auf der Rückseite, der Stierkopf an der linken und der Löwenkopf an
der rechten Seite des Thrones standen. Die Rekonstruktion der Positionierung
dieser vier Wesen bei Johannes mag auf den ersten Blick relativ unwichtig
erscheinen, wie wir aber gleich sehen werden, kann sie uns bei der
Interpretation helfen.
Obwohl die Angesichter der vier Wesen – abgesehen von der Viergesichtigkeit
bei Hesekiel – bei beiden Propheten gleichartig beschrieben wird, ergibt sich
bei der weiteren Analyse doch noch ein wesentlicher Unterschied.
Hesekiel hatte ja zwei derartige Visionen von diesen vier lebenden Wesen. Eine
am Fluss Kebar, oben aus Hes 1,1-28 zitiert, und die andere in Jerusalem, welche
in Hes 10,1-22 berichtet ist. Und auch in dieser Vision beschreibt er die vier
Wesen und ihre Gesichter.
Das Gesicht des ersten war das Gesicht eines Cherubs.
Hes 10,14 Vier Gesichter hatte jedes. Das Gesicht
des ersten war das Gesicht eines Cherubs, und das Gesicht des zweiten war
das Gesicht eines Menschen und des dritten das Gesicht eines Löwen
und des vierten das Gesicht eines Adlers. 10,15 Und die Cherubim hoben
sich empor. Das war das lebende Wesen, das ich am Fluss Kebar gesehen hatte.
Hes 10,14-15;
Und hier fällt auf, dass die Beschreibung mit Hes 1,10
identisch ist, bis auf das Stierangesicht. Obwohl Hesekiel bestätigt, dass dies
dasselbe Gefährt war – er nennt es das "lebende Wesen" – , welches er
auch am Fluss Kebar gesehen hatte, ist hier das Stierangesicht durch das "Gesicht
eines Cherubs" ersetzt. Nachdem wir bei dieser Stelle Übertragungs- oder
Übersetzungsfehler ausschließen können, scheint es so, dass sich Hesekiel
einmal geirrt hat. Es wäre auch nicht verwunderlich, bei soviel unglaublichem
Geschehen, kann es schon sein, dass er auf manche Einzelheiten nicht geachtet
hat. Es fragt sich jetzt nur, welcher dieser beiden Berichte stimmt. Und hier
kann uns eine weitere Aussage aus der Vision in Jerusalem helfen.
Und ich erkannte, dass es Cherubim waren.
Hes 10,20 Das war das lebende Wesen, das ich unter
dem Gott Israels am Fluss Kebar gesehen hatte; und ich erkannte, dass es
Cherubim waren. 10,21 Jeder hatte vier Gesichter, und jeder hatte vier
Flügel, und etwas wie Menschenhände war unter ihren Flügeln. 10,22 Und die
Gestalt ihrer Gesichter war die jener Gesichter, die ich am Fluss Kebar gesehen
hatte, ihr Aussehen und sie selbst. Sie gingen ein jeder gerade vor sich
hin. Hes 10,20-22;
Auch hier bekräftigt Hesekiel, dass es sich um die gleiche
Erscheinung handelte, wie er sie am Fluss Kebar hatte. Er bestätigt
insbesondere, dass die "Gestalt ihrer Gesichter" identisch ist mit jenen der
damaligen Vision. Das heißt, dass die Gesichter selbst nicht verändert waren,
sondern der Prophet eben erkannt hat, dass er bei seiner Beschreibung der ersten
Vision fälschlicherweise ein Stierangesicht, anstatt das eine Cherubs gesehen
hatte und daher die Beschreibung aus der zweiten, der Vision in Jerusalem, die
richtige ist.
Dass es sich so verhält, bestätigen auch noch andere Details der
Jerusalem-Vision. Wie es oben, in Hes 10,20 heißt, hat Hesekiel auch erst
dieses zweite Mal erkannt, dass es sich bei den vier lebenden Wesen selbst um
Cherubim handelt. Und wie es scheint, basierte diese Erkenntnis nicht auf
irgendwelchen äußeren Erkennungszeichen, sondern auf den einfachen Umstand,
dass der Herr ihn in Hes 10,2 und 10,6 auffordert zu "der Stelle unterhalb des
Cherubs" bzw. "der Stelle zwischen den Cherubim" zu gehen und damit diese
Wesen als Cherubim identifiziert hat. Ab diesem Zeitpunkt wusste Hesekiel, dass
es sich hier um Cherubim handelte.
Geh hinein zu der Stelle zwischen dem Räderwerk, unterhalb des Cherubs.
Hes 10,1 Und ich sah: Und siehe, auf dem festen
Gewölbe, das über dem Haupt der Cherubim war, befand sich einem Saphirstein
gleich etwas, das aussah wie ein Thron, der über ihnen sichtbar wurde. 10,2 Und
er sprach zu dem mit Leinen bekleideten Mann, und er sagte: Geh hinein zu der
Stelle zwischen dem Räderwerk, zu der Stelle unterhalb des Cherubs, und
fülle deine Hände mit Feuerkohlen von der Stelle zwischen den Cherubim, und
streue sie über die Stadt hin! Da ging er vor meinen Augen hinein.
10,3 Die Cherubim aber standen zur rechten Seite des Hauses, als der Mann
hineinging; und die Wolke erfüllte den inneren Vorhof. 10,4 Da erhob sich
die Herrlichkeit des HERRN von dem Cherub weg auf die Schwelle des Hauses;
und das Haus wurde von der Wolke erfüllt, und der Vorhof war voll von dem Glanz
der Herrlichkeit des HERRN. 10,6 Und es geschah, als er dem mit Leinen
bekleideten Mann befahl: Nimm Feuer von der Stelle zwischen dem Räderwerk,
von der Stelle zwischen den Cherubim weg!, da ging er hinein und trat neben
das Rad. 10,7 Und der Cherub streckte seine Hand aus zwischen den Cherubim
hervor nach dem Feuer, das zwischen den Cherubim war, und hob es auf und gab es
in die Hände dessen, der mit Leinen bekleidet war; der nahm es und ging hinaus.
10,8 Und es erschien an den Cherubim unter ihren Flügeln etwas wie eine
Menschenhand. Hes 10, 1- 8;
Und während er in Hes 1,18 von den Rädern berichtet, dass sie
"voller Augen waren rings herum", erweitert er diese Beschreibung in Hes
10,12 auch auf die vier Cherubim, von denen er schreibt, dass "ihr ganzer Leib
und ihr Rücken und ihre Hände und ihre Flügel und die Räder waren voller
Augen ringsum". Dies ist somit – nach den beiden Richtigstellungen "Wesen
– Cherubim" und "Stierangesicht – Cherubangesicht" – die dritte
Korrektur, welche Hesekiel aufgrund der zweiten Vision durchführt.
(Siehe auch die Tabelle 15: "Der
Thron Gottes und seine Umgebung".)
In der für uns relevanten Frage können wir also davon
ausgehen, dass der vierte Cherub kein Stierangesicht, sondern eben das Angesicht
eines Cherubs hatte. Mit dieser Erkenntnis kehren wir nun zurück zur
Offenbarung und versuchen anhand der diesbezüglichen Texte einen Überblick
davon zu bekommen, welche Stellung bzw. welche Aufgabe diesen vier Wesen im
Rahmen dieser Vision zukam.
Das Lamm und die vier lebendigen Wesen.
Off 6,1 Und ich sah, als das Lamm eines von
den sieben Siegeln öffnete, und hörte eines von den vier lebendigen Wesen
wie mit einer Donnerstimme sagen: Komm! 6,2 Und ich sah: und siehe, ein weißes
Pferd, und der darauf saß, hatte einen Bogen; und ihm wurde ein Siegeskranz
gegeben, und er zog aus, siegend und um zu siegen.
6,3 Und als es das zweite Siegel öffnete, hörte ich das zweite lebendige
Wesen sagen: Komm! 6,4 Und es zog aus ein anderes, ein feuerrotes Pferd; und
dem, der darauf saß, ihm wurde gegeben, den Frieden von der Erde zu nehmen und
die Menschen dahin zu bringen, dass sie einander schlachteten; und ihm wurde ein
großes Schwert gegeben.
6,5 Und als es das dritte Siegel öffnete, hörte ich das dritte lebendige
Wesen sagen: Komm! Und ich sah: und siehe, ein schwarzes Pferd, und der
darauf saß, hatte eine Waage in seiner Hand. 6,6 Und ich hörte etwas wie eine
Stimme inmitten der vier lebendigen Wesen, die sagte: Ein Maß Weizen
für einen Denar und drei Maß Gerste für einen Denar! Und dem Öl und dem Wein
füge keinen Schaden zu!
6,7 Und als es das vierte Siegel öffnete, hörte ich die Stimme des vierten
lebendigen Wesens sagen: Komm! Off 6, 1- 7;
Die lebenden Wesen geben Ehre und Danksagung dem, der auf dem Thron sitzt.
Off 4,9 Und wenn die lebendigen Wesen
Herrlichkeit und Ehre und Danksagung geben werden dem, der auf dem Thron sitzt,
der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit, 4,10 so werden die vierundzwanzig
Ältesten niederfallen vor dem, der auf dem Thron sitzt, und den anbeten,
der von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt, und werden ihre Siegeskränze niederwerfen
vor dem Thron und sagen: 4,11 Du bist würdig, unser Herr und Gott, die
Herrlichkeit und die Ehre und die Macht zu nehmen, denn du hast alle Dinge
erschaffen, und deines Willens wegen waren sie und sind sie erschaffen worden.
Off 4, 9-11;
Sie fielen vor dem Thron auf ihre Angesichter und beteten Gott an.
Off 7,11 Und alle Engel standen rings um den
Thron und die Ältesten und die vier lebendigen Wesen, und sie fielen
vor dem Thron auf ihre Angesichter und beteten Gott an. Off 7,11;
Sie singen ein Lied vor dem Thron, den vier lebendigen Wesen und den Ältesten.
Off 14,3 Und sie singen ein neues Lied vor dem
Thron und vor den vier lebendigen Wesen und den Ältesten; und niemand
konnte das Lied lernen als nur die 144000, die von der Erde erkauft waren. Off
14, 3;
Eines der vier lebendigen Wesen gab den sieben Engeln sieben goldene Schalen.
Off 15,6 Und die sieben Engel, welche die sieben
Plagen hatten, kamen aus dem Tempel hervor, bekleidet mit reinem, glänzendem
Leinen und um die Brust gegürtet mit goldenen Gürteln. 15,7 Und eines der
vier lebendigen Wesen gab den sieben Engeln sieben goldene Schalen, voll des
Grimmes Gottes, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Off 15, 6- 7;
Und die vier lebendigen Wesen fielen nieder und beteten Gott an.
Off 19,4 Und die vierundzwanzig Ältesten und
die vier lebendigen Wesen fielen nieder und beteten Gott an, der auf dem
Thron sitzt, und sagten: Amen, Halleluja! Off 19, 4;
Dieser Blick zurück in die Offenbarung zeigt uns einmal, dass
auch Johannes sichtlich die gleichen Erkennungsprobleme hatte wie Hesekiel: Er
konnte die vier Gestalten nicht als Cherubim identifizieren und nennt sie daher
"lebendige Wesen", und er sieht beim vierten ein Stierangesicht. Nachdem
also auch Johannes hier ein Stierangesicht sieht, erhebt sich natürlich die
Frage, inwieweit das Angesicht eines Cherubs eine gewisse Ähnlichkeit mit einem
Stierangesicht hat, noch dazu mit dem eines jungen Stiers, wie Johannes in Off
4,7 spezifiziert – also Kalbskopf, noch dazu wo es in Hes 1,7 heißt: "Und ihre Beine waren gerade Beine und ihre
Fußsohlen wie die Fußsohle eines Kalbes".
Und nun haben wir auch eine Erklärung, wieso sich die Israeliten, als Mose am Berg Horeb, bei Gott war, um die zwei
Steintafeln in Empfang zu nehmen, ausgerechnet ein "goldenes Kalb" gemacht und es angebetet haben. Sie dürften in ihrer
Vergangenheit irgendwann tatsächlich einen Cherub gesehen haben, mit dem Angesicht eines Kalbes, und ihn als einen "Gott"
identifiziert haben. Und haben dann am Horeb gesagt:
Auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen!
2Mo 32,1 Und als das Volk sah, dass Mose zögerte, vom Berg herabzukommen, da versammelte sich das Volk zu Aaron, und sie sprachen zu ihm: Auf, mache uns Götter, die vor uns hergehen! Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus dem Land
Ägypten heraufgeführt hat – wir wissen nicht, was ihm geschehen ist. 32,2 Und Aaron sprach zu ihnen: Reißt die goldenen Ringe ab, die in den Ohren eurer Frauen, eurer Söhne und eurer Töchter sind, und bringt sie zu mir. 32,3 Und das ganze Volk riss sich die goldenen Ringe ab, die in ihren Ohren waren, und sie brachten sie zu Aaron.
32,4
Und er nahm es aus ihrer Hand und bildete es mit einem Meißel und machte ein gegossenes Kalb daraus. Und sie sprachen: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land
Ägypten heraufgeführt haben. 32,5 Und als Aaron es sah, baute er einen Altar vor ihm; und Aaron rief aus und sprach: Ein Fest dem HERRN ist morgen! 32,6 Und sie standen am nächsten Tag früh auf und opferten Brandopfer und brachten Friedensopfer; und das Volk setzte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und sie standen auf, um sich zu belustigen. 2Mo 32,1-6;
Aber nicht nur das goldene Kalb lässt sich dadurch erklären. Wir haben aber auch in der säkularen
Literatur immer wieder hinweise auf "Götter", welche als "geflügelter Stier" oder "Stiergestalt" dargestellt werden. Auch das ist ein Hinweis darauf, dass in der Vorzeit tatsächlich Cherubim die Menschen besucht haben müssen.
Andererseits ist jedoch auch hier diese Verwechslung nicht verwunderlich, sieht doch auch er dieses Bild zum ersten Mal. Im übrigen kommt
der Stamm des Wortes "Cherub" aus dem Assyrischen und hat die Bedeutung "geflügelter
Stier". Wir können daher – analog zu Hesekiel – auch hier die Beschreibung ergänzen, indem wir diese vier Wesen als Cherubim und das Angesicht des vierten Cherubs als Cherubangesicht interpretieren.
Die obigen Texte, speziell Off 19,4, zeigen uns aber auch, dass es sich bei den
vier Wesen eindeutig um Diener Gottes handelt. Sie sind zwar – nach dem Lamm
und noch vor den vierundzwanzig Ältesten und den Engeln – die nächsten am
Thron, aber sie haben zweifelsfrei dienende Funktion. Und hier bietet sich nun
unter der neuen Erkenntnis, dass die vierte Gestalt kein Stierangesicht sondern
ein Cherubangesicht hatte, eine neue Deutung an.
Wir haben es bei den vier Wesen mit vier Cherubim zu tun, welche vier
unterschiedliche Angesichter haben: ein Cherub, ein Mensch, ein Löwe und ein
Adler. Bei näherer Betrachtung lässt sich daraus schließen, dass es sich hier
tatsächlich um symbolische "Vertreter" aller Geschöpfe Gottes handeln
könnte. Die Kriterien für die Auswahl gerade dieser vier Angesichter lassen
sich in etwa folgendermaßen begründen:
Cherubim: sind die Repräsentanten der Engelwelt und somit Wesen der
himmlischen Dimension. Sie sind unsterblich und bedürfen daher keiner
Fortpflanzung (geschlechtslos) (Lk 20,34-36;).
Mensch: er gehört zu den biologischen Lebewesen dieser Erde. Mit den
Engeln verbindet ihn die Fähigkeit Vernunft zu entwickeln. Mit den anderen
irdischen Geschöpfen teilt er deren Sterblichkeit und die Notwendigkeit, sich
zur Erhaltung seiner Art fortpflanzen zu müssen.
Löwe: die Säugetiere sind zwar nicht vernunftbegabt, nehmen aber
dennoch unter den biologischen Geschöpfen deshalb eine bevorzugte Stellung ein,
weil sie – gleich dem Menschen – ihre Nachzucht lebend gebären
(vivipar) und im allerersten Lebensabschnitt durch körpereigene
Milchproduktion ernähren, also säugen können. Neben den Landsäugern zählen
dazu u. a. auch Wale und Delphine.
Adler: zur großen Gruppe der eierablegenden Tiere (ovipar Latein
oviparus, "eigeboren") zählen neben allen Vogelarten z. B. auch Reptilien,
Fische, Insekten und Würmer.
(Siehe auch Diskurs 141: "Die
Schöpfung schlägt zurück – eine Auslegung der vier apokalyptischen Reiter.")
In dieser, an den Kriterien der Geisteskapazität und der Arterhaltung
orientierten Interpretation, würde also der Cherub die Engelwelt, der Mensch
die Menschheit, der Löwe die Säugetiere und der Adler alle jene Tiere
repräsentieren, welche ihre Fortpflanzung durch Eiablage bewerkstelligen und
somit würde die ganze belebte Schöpfung in diesen vier Cherubim als
allernächste Diener des Schöpfers vertreten sein.
Wenn diese Deutung korrekt ist, finden wir hier ein System der Lebewesen, wie es
der Mensch erst Jahrtausende später (seit Hesekiel!) in seinem "Natürlichen
System der Tiere" – und da auch nur unvollständig (nur für die irdischen
Lebewesen) – erkannt hat. Die diesbezüglichen neuzeitlichen
Gliederungsversuche gehen auf Carl von Linné (1707-1778, Systema
Naturae) zurück und unterscheiden sechs Tierklassen: Säugetiere, Vögel,
Amphibien (inkl. Reptilien), Fische, Insekten und Würmer. Es sind dies
dieselben Kategorien, welche auch oben aufscheinen, wobei dort die
Unterscheidungskriterien viel eindeutiger und daher auch umfassender zu sein
scheinen.
Was nun die vielen Augen auf den Cherubim und den Rädern "ringsum" betrifft
(Hes 1,18; 10,12; Off 4,6-8), muss man der Auffassung mancher Ausleger
widersprechen, mit der Formulierung in Vers Off 4,8: "Und die vier lebendigen
Wesen (…) sind ringsum und inwendig voller Augen…" sei die Außen- und
Innenseite (unter der Haut) der Körper dieser vier Wesen gemeint. Das "ringsum"
ist von Vers Off 4,6 abgeleitet, wo "rings um den Thron" gemeint ist und
damit die von außerhalb des Thrones sichtbare Seite dieser Körper bezeichnet
wird, wogegen sich das "inwendig" auf die dem Thron und Gott zugewandte
Seite der vier Wesen bezieht.
Für die Bedeutung dieser Augen gibt es ausreichend Schriftbeweise, so dass es
hier keiner Interpretation bedarf. In der Einleitung der Offenbarung, in Off
1,4, grüßt Johannes die sieben Gemeinden mit: "Gnade euch und Friede von
dem, der ist und der war und der kommt, und von den sieben Geistern, die vor
seinem Thron sind". Der Umstand, dass diese "sieben Geister" in einem
Zusammenhang mit Gott dem Herrn genannt werden und dass Gnade und Friede auch
von ihnen erbeten wird, macht deutlich, dass es sich hier bei diesen sieben
Geistern nur um den Geist Gottes, den Heiligen Geist handeln kann.
Gnade euch und Friede von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind.
Off 1,4 Johannes den sieben Gemeinden, die in Asien
sind: Gnade euch und Friede von dem, der ist und der war und der kommt, und
von den sieben Geistern, die vor seinem Thron sind, 1,5 und von Jesus
Christus, der der treue Zeuge ist, der Erstgeborene der Toten und der Fürst der
Könige der Erde! Dem, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat
durch sein Blut 1,6 und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern seinem
Gott und Vater: Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Amen. Off 1, 4- 6;
Während diese sieben Geister oben, in Off 1,4 nur erwähnt
wurden, werden sie hier unten, in Off 4,5 auch körperlich vorgestellt. Es sind
die sieben Feuerfackeln, welche vor dem Thron Gottes brennen.
Sieben Feuerfackeln brennen vor dem Thron, welche die sieben Geister Gottes sind.
Off 4,5 Und aus dem Thron gehen hervor Blitze und
Stimmen und Donner; und sieben Feuerfackeln brennen vor dem Thron, welche die
sieben Geister Gottes sind. Off 4, 5;
Vor dem Thron Gottes hat der Heilige Geist also die Gestalt von
sieben brennenden Feuerfackeln. Der Prophet Sacharja berichtet in Sach 3,9 von
einem Stein, in welchem der Herr sieben Augen eingraviert hatte als Zeichen
dafür, dass er die Schuld Israels an einem Tag entfernen wird (Ausgießung des
Heiligen Geistes über Israel).
(Siehe auch Kapitel 10: "Das
Millennium".)
Auf einem Stein sieben Augen, ich will sie eingravieren, spricht der HERR.
Sach 3,9 Denn siehe, der Stein, den ich vor Joschua
gelegt habe – auf einem Stein sieben Augen -, siehe, ich will seine Gravur
eingravieren, spricht der HERR der Heerscharen, und will die Schuld dieses
Landes entfernen an einem Tag. 3,10 An jenem Tag, spricht der HERR der
Heerscharen, werdet ihr einer den anderen einladen unter den Weinstock und unter
den Feigenbaum. Sach 3, 9-10;
Diese sieben Augen des HERRN schweifen auf der ganzen Erde umher.
Sach 4,10 Denn wer hat den Tag kleiner Dinge
verachtet? Und sie werden sich freuen und den Stein des Senkbleis in der Hand
Serubbabels sehen. Diese sieben sind die Augen des HERRN, sie schweifen auf
der ganzen Erde umher. Sach 4,10;
Diese sieben sind die Augen des Herrn, die auf der ganzen Erde
umherschweifen und damit ebenfalls eine Darstellung des Heiligen Geistes. Und so
sieht auch Johannes, als er in Off 5,6 sah "das Lamm stehen wie geschlachtet",
dieses Lamm, den Herrn Jesus Christus, mit sieben Hörnern und sieben Augen.
Die sieben Augen sind die sieben Geister Gottes, ausgesandt über die ganze Erde.
Off 5,6 Und ich sah inmitten des Thrones und der
vier lebendigen Wesen und inmitten der Ältesten ein Lamm stehen wie
geschlachtet, das sieben Hörner und sieben Augen hatte; die sind die sieben
Geister Gottes, ausgesandt über die ganze Erde. Off 5, 6;
Auch hier werden diese sieben Augen als "die sieben Geister
Gottes, ausgesandt über die ganze Erde" bezeichnet und sind damit
zweifelsfrei als die Präsenz des Heiligen Geistes Gottes im Sohn zu verstehen.
Aus all diesen Hinweisen lässt sich schließlich ableiten, dass die in Hes
1,18; 10,12 und Off 4,6-8 erwähnten Augen an den vier Cherubim ebenfalls als
Manifestation des Heiligen Geistes anzusehen sind.
Die Frage schließlich, wieso diese vier Wesen bei Johannes nur jeweils ein Antlitz aufweisen,
während sie bei Hesekiel deren vier haben, könnte mit ihrer jeweiligen Aufgabe zu tun
haben. Bei Hesekiel ist ihre Aufgabe – als "Transportmittel" des
Allmächtigen – eher dynamischer Natur und erfordert ein gemeinsames Vorgehen
aller vier.
Was wäre da hilfreicher, als den Geist und das Wahrnehmungsvermögen jedes Einzelnen
zu teilen und allen Vieren in gleichem Maße zuzuordnen. Damit wäre eine Koordination in
nicht zu übertreffender Weise gegeben. Bei Johannes hingegen besteht ihr Dienst scheinbar in der
Bewachung des Thrones und im Lobpreis Gottes. Für diese eher statische Aufgabe
ist ein derartiger Aufwand womöglich nicht erforderlich.
Die Art der Fortbewegung der vier lebenden Wesen ist bereits in
Vers Hes 1,9 angeklungen. Dort hieß es: "…sie wandten sich nicht um, wenn
sie gingen: sie gingen, ein jedes gerade vor sich hin". Bei diesem Text wird
von so manchem Erklärer – in Ermangelung eines besseren Verständnisses –
in die Symbolik ausgewichen und diese Beschreibung als Hinweis darauf gedeutet,
dass es "keine fremde Macht gibt, die sie zurücktreiben könnte".
Sie gingen nach ihren vier Seiten hin; sie wandten sich nicht um.
Hes 1,12 Und sie gingen ein jeder gerade vor
sich hin; wohin der Geist gehen wollte, dahin gingen sie; sie wandten
sich nicht um, wenn sie gingen. 1,13 Und mitten zwischen den lebenden Wesen
war ein Schein wie von brennenden Feuerkohlen; wie ein Schein von Fackeln war
das, was zwischen den lebenden Wesen hin und herfuhr; und das Feuer hatte einen
Glanz, und aus dem Feuer fuhren Blitze hervor. 1,14 Und die lebenden Wesen liefen
und kehrten zurück, wie das Aussehen des Blitzes.
1,15 Und als ich die lebenden Wesen sah, siehe, da war ein Rad auf der Erde
neben den lebenden Wesen, bei ihren vier Vorderseiten. 1,16 Das Aussehen der
Räder und ihre Verarbeitung war wie der Anblick von Türkis, und die vier
hatten ein und dieselbe Gestalt; und ihr Aussehen und ihre Verarbeitung war, wie
wenn ein Rad mitten im anderen Rad wäre. 1,17 Wenn sie gingen, dann
gingen sie nach ihren vier Seiten hin; sie wandten sich nicht um, wenn sie
gingen. 1,18 Und ihre Felgen, sie waren hoch, und als ich sie
anblickte, sah ich, dass ihre Felgen voller Augen waren rings herum bei den
vieren. 1,19 Und wenn die lebenden Wesen gingen, gingen auch die Räder neben
ihnen her; und wenn die lebenden Wesen sich von der Erde erhoben, erhoben sich
auch die Räder. 1,20 Wohin der Geist gehen wollte, gingen sie, dahin, wohin
der Geist gehen wollte. Und die Räder erhoben sich gleichzeitig mit ihnen, denn
der Geist des lebenden Wesens war in den Rädern. 1,21 Wenn jene gingen, gingen
auch diese, und wenn jene stehen blieben, dann blieben auch diese stehen; und
wenn sich jene von der Erde erhoben, dann erhoben sich die Räder gleichzeitig
mit ihnen. Denn der Geist des lebenden Wesens war in den Rädern. Hes 1,12-21;
Wenn wir diese Aussage jedoch im Kontext betrachten, erkennen
wir, dass sie nun in Hes 1,12 wiederholt und in Hes 1,17 präzisiert wird: "Wenn
sie gingen, dann gingen sie nach ihren vier Seiten hin; sie wandten sich nicht
um, wenn sie gingen". Das heißt also, dass sich diese vier Wesen nur im
rechten Winkel fortbewegten. Entweder geradeaus vorwärts, rückwärts oder
geradeaus nach den Seiten.
Sie kennen weder diagonale Strecken noch Kurven. Auf
ihrem Weg zu einem bestimmten Ziel bewegen sie sich also im Zickzackkurs voran
– einmal gerade nach vorne, dann wieder gerade zur Seite – bis sie das
angestrebte Ziel erreicht haben. Diese ungewöhnliche Art der Fortbewegung
hängt möglicherweise auch mit der eigenartigen Konstruktion der Räder
zusammen.
Ihr Aussehen wird in Hes 1,16 beschrieben: "Das Aussehen der Räder
(…) ihr Aussehen und ihre Verarbeitung war, wie wenn ein Rad mitten im anderen
Rad wäre". Damit ist nicht gemeint, dass ein kleineres Rad parallel in einem
größeren Rad eingefügt gewesen wäre, da ja im Vers Hes 1,18 von "hohen
Felgen" die Rede ist, welche dieses zweite Rad überdecken und unkenntlich
machen müssten.
Die Beschreibung "ein Rad mitten im anderen Rad" meint ein
"Kreuzrad". Das sind zwei annähernd gleich große Räder oder Reifen,
welche im rechten Winkel ineinandergefügt sind und so den Umfang einer Kugel
beschreiben. Mit diesen Rädern kann man sich immer nur in der verlängerten
Richtung des jeweiligen Radreifens – entweder geradeaus oder seitwärts -
bewegen und daher auch keine Kurven beschreiben.
Und so ist dann auch die Beschreibung dieser Fortbewegung in Hes 1,14 zu verstehen:
"Und die Gestalten liefen und kehrten zurück, wie das Aussehen des Blitzes".
Dies meint nicht, dass sie "bei jeder Bewegung aufleuchten wie der Blitz", sondern
die Spur ihrer Fortbewegung war vergleichbar mit jener eines Blitzes am Himmel – also
ein Zickzackkurs.
Eine Besonderheit im Zusammenwirken dieser vier Cherube bei ihrer Aufgabe den
Thron Gottes zu transportieren erkennen wir noch in Hes 10,11:
Wohin das Vorderste ging, folgten sie; sie wandten sich nicht um beim Gehen.
Hes 10,9 Und ich sah: Und siehe, vier Räder waren
neben den Cherubim, je ein Rad neben je einem Cherub. Und das Aussehen der
Räder war wie der Anblick eines Türkis-Steines; 10,10 und ihr Aussehen: Die
vier hatten ein und dieselbe Gestalt, wie wenn ein Rad mitten im anderen Rad
wäre. 10,11 Wenn sie gingen, dann gingen sie nach ihren vier Seiten hin: sie
wandten sich nicht um, wenn sie gingen; denn an den Ort, wohin das Vorderste
sich wandte, folgten sie ihm; sie wandten sich nicht um, wenn sie gingen.
10,12 Und ihr ganzer Leib und ihr Rücken und ihre Hände und ihre Flügel und
die Räder waren voller Augen ringsum bei allen vieren, nämlich ihren Rädern.
10,13 Die Räder, sie wurden vor meinen Ohren «Wirbel» genannt. Hes 10, 9-13;
Die Aussage, dass sie immer dem Vordersten folgten lässt darauf
schließen, dass diese vier Cherubim sich nicht paarweise in eine Richtung
bewegten, sondern dass jeweils nur ein Cherub karoförmig die Spitze dieses
Vierecks in eine Richtung bildete. So war jeder Cherub für eine der vier
Bewegungsrichtungen "zuständig" und wenn er vom Geist Gottes beauftragt
wurde in diese "seine" Richtung zu gehen, folgten ihm die anderen willig
nach.
(Siehe auch den Diskurs 72: "Wer
sind die 24 Ältesten? – Der Thron Gottes.")
In der Offenbarung des Johannes sind diese vier Cherubim als
eine Art Wächter rund um dem Thron postiert. Bei der Beschreibung in Off 4,6
meinen manche Interpreten hier einen "Stufenthron" und die Cherubin auf
halber Höhe der Treppe sehen zu müssen, um eine Erklärung für die
Formulierung "in der Mitte" geben zu können.
Und inmitten des Thrones und rings um den Thron vier lebendige Wesen.
Off 4,6 Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes
Meer, gleich Kristall; und inmitten des Thrones und rings um den Thron vier
lebendige Wesen, voller Augen vorn und hinten. Off 4, 6;
Doch die Beschreibung meint ganz einfach, dass die Cherubim in
der Mitte auf jeder Seite des Thrones standen, also "… in der Mitte (mitten
in Front) des Thrones und (solcherart an jeder der vier Seiten) rings um den
Thron …". Sie sind also die äußere Begrenzung des Thrones. Ebenfalls "rings
um den Thron" sehen sowohl Hesekiel, als auch Johannes etwas ähnliches wie
einen "Regenbogen".
Ein Regenbogen war rings um den Thron, von Ansehen gleich einem Smaragd.
Off 4,2 Sogleich war ich im Geist: und siehe, ein
Thron stand im Himmel, und auf dem Thron saß einer. 4,3 Und der da saß, war
von Ansehen gleich einem Jaspisstein und einem Sarder, und ein Regenbogen war
rings um den Thron, von Ansehen gleich einem Smaragd. Off 4, 2- 3;
Wie das Aussehen des Regenbogens, so war das Aussehen des Glanzes ringsum.
Hes 1,27 Und ich sah: Wie der Anblick von
glänzendem Metall, wie das Aussehen von Feuer, das ringsum ein Gehäuse
hat, war es von dem Aussehen seiner Hüften an aufwärts; und von dem
Aussehen seiner Hüften an abwärts sah ich etwas wie das Aussehen von Feuer;
und ein Glanz war rings um ihn. 1,28 Wie das Aussehen des Bogens, der
am Regentag in der Wolke ist, so war das Aussehen des Glanzes ringsum. Das
war das Aussehen des Abbildes der Herrlichkeit des HERRN. – Und als ich es
sah, fiel ich auf mein Gesicht nieder; und ich hörte die Stimme eines Redenden.
Hes 1,27-28;
Nachdem Hesekiel diesen "Glanz", diesen regenbogenartigen
Schirm, rings um den sah, der auf dem Thron saß, können wir davon ausgehen,
dass zwar der Thron innerhalb, die vier Cherubim aber in beiden Fällen
außerhalb dieses Schirms anzusiedeln sind und dass dieser Strahlenkranz einen
Bestandteil der Herrlichkeit des Herrn bildet.
Das eigentliche Aussehen des Herrn in seiner Vision am Fluss Kebar beschreibt
Hesekiel jedoch unmittelbar davor, in Hes 1,27. Demnach war die Erscheinung des
Herrn von den Hüften an aufwärts "wie der Anblick von glänzendem Metall"
und von seinen Hüften an abwärts erschien es wie Feuer. Und auch in seiner
zweiten Vision, in Jerusalem, verwendet Hesekiel die gleichen Bezeichnungen.
Von den Hüften abwärts Feuer, aufwärts wie der Anblick von glänzendem Metall.
Hes 8,2 Und ich sah: und siehe, eine Gestalt mit
dem Aussehen eines Mannes: von seinen Hüften an abwärts Feuer;
und von seinen Hüften an aufwärts wie das Aussehen eines Glanzes, wie
der Anblick von glänzendem Metall. Hes 8, 2;
Anders als Hesekiel vergleicht Johannes in der Offenbarung die
Erscheinung des Herrn mit Edelsteinen. Er schreibt in Off 4,3: "Und der da
saß, war von Ansehen gleich einem Jaspisstein und einem Sarder". Jedoch
wählt er auch danach für die Beschreibung des regenbogenartigen Glanzes rund
um den Thron, welchen Hesekiel nur als "Glanz" beschreibt, einen Edelstein
– den Smaragd – als Vergleich, sodass wir annehmen können, dass auch
Johannes dieselbe Erscheinung des Herrn hatte und sie nur mit anderen Worten
beschrieben hat.
Die Visionen des Hesekiel und die Offenbarung des Johannes trennt ein Zeitraum
von nahezu siebenhundert Jahren. Der Umstand, dass beide Propheten in der
Beschreibung des Thrones Gottes und der vier "lebenden Wesen" so viele
Gemeinsamkeiten aufweisen, ist nicht zuletzt auch ein Beweis dafür, dass wir es
hier mit der Realität der Dimension Gottes zu tun haben, in welche diesen
beiden Gottesmännern unabhängig voneinander ein Einblick gewährt wurde.
Wenn nun manche Interpreten glauben, darauf hinweisen zu müssen, dass Johannes
vieles von den Aussagen Hesekiels "in Erinnerung" hatte und damit im
Klartext sagen wollen, Johannes hätte von Hesekiel "abgeschrieben",
disqualifizieren sie sich damit letztlich selbst. Wer nicht an die Echtheit der
Prophezeiungen der Schrift glauben kann, kann auch nicht an den Gott dieser
Schrift glauben und somit sind nicht – wie diese Leute meinen – die
Prophezeiungen der Bibel, sondern eher ihre eigenen fragwürdigen
Erklärungsversuche als "Dichtung" und "Legenden" zu bewerten.